Stockfisch

Saisonale Spezialität
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Unkundige mag es überraschen, was die Kenner oberfränkischer Kulinarik für einen Geheimtipp halten: Vor allem in den nördlichen Regionen unseres Regierungsbezirks, also im Frankenwald und im Fichtelgebirge, schätzt man Stockfisch als besondere Delikatesse mit geschichtlichem Hintergrund. Traditionell werden hier Stockfischgerichte zu Karfreitag, manchmal auch am Heiligen Abend angeboten. In der regionalen Gastronomie haben diese ungewöhnlichen Zubereitungen gelegentlich eine etwas längere Saison von Aschermittwoch bis Karfreitag. Zudem belegt der Blick in alte Kochbücher und Rezeptsammlungen, dass Stockfisch ehemals in ganz Oberfranken bekannt war und vor allem im Winter gegessen wurde.

Stockfisch ist eine Sammelbezeichnung für Seefische, die durch Trocknen haltbar gemacht werden. Häufig wird der Fisch auch zum Entwässern vorab gesalzen und danach zum Trocknen aufgehängt oder auf die Klippen gelegt. In dieser Form wird er korrekt als Klippfisch bezeichnet. Heutzutage wird vor allem Kabeljau (Dorsch), aber auch Seelachs, Schellfisch und Leng zu Stockfisch verarbeitet. Das 1733 in Nürnberg verlegte Kochbuch von Johann Albrecht Grunauer nennt neben Stockfisch allgemein auch “dörren Lachs” und “dörre Schollen”.

Stockfisch spielte – wie Fisch allgemein – in der Esskultur des Mittelalters eine nachweisbar große Rolle. Vor allem die Binnenlandbevölkerung war an der Versorgung mit diesem leicht konservierbaren Fisch besonders interessiert. So nahm der Handel mit Stockfisch im Warenverkehr der Hanse einen wichtigen Platz ein. Im 14. und 15. Jahrhundert sicherte sich die Hansestadt Lübeck die Monopolrechte am Stockfischhandel, der damit die Grundlage ihres beachtlichen Wohlstandes in dieser Zeit darstellte. Aufgrund seiner leichten Verfügbarkeit als preisgünstiges, leicht transportierbares und unbegrenzt haltbares Nahrungsmittel spielte der Stockfisch in der Versorgung z.B. von Schiffsmannschaften, aber auch als Proviant für Reisende aller Art, wie z. B. die durch Oberfranken ziehenden Ochsentrails (siehe Stichwort “gesottene Ochsenbrust“) oder vielleicht auch für die Flößer des Frankenwaldes, eine große Rolle. Noch wichtiger aber war seine Verwendung als billige Fastenspeise für breite Bevölkerungskreise, die sich den teureren Süßwasserfisch aus heimischen Gewässern nicht leisten konnte.

So scheinen sich in der überlieferten Verwendung von Stockfisch im nördlichen Oberfranken verschiedene historische Rezepturen zu überschneiden. Zum einen erinnert die jahreszeitliche Festlegung auf den Heiligen Abend sowie die winterliche Fastenzeit und den Karfreitag an die allgemeine Verwendung des Fischs als billiges Fastenessen. Zum anderen konnte er sich möglicherweise deshalb im nördlichen Oberfranken im Milieu der alteingesessenen Flößerfamilien des Frankenwaldes oder entlang der großen Handelswege nach Böhmen, Polen und Sachsen durch das Fichtelgebirge deshalb so lange halten, weil er hier schon immer auch als Reiseproviant eine Rolle spielte.

Waren es also ursprünglich Kriterien wie preisgünstige Verfügbarkeit und unproblematische Lagerung, die den Stock- und Klippfisch zu einem verbreiteten Nahrungsmittel machten, so spielen diese in den heutigen Konsumentengewohnheiten nur noch eine untergeordnete Rolle. Da frischer Seefisch heutzutage überall problemlos verfügbar ist, wird getrockneter Fisch – aus überwiegend norwegischer Erzeugung – heute nur noch in einigen Mittelmeerländern als Delikatesse verwendet. Umso mehr haben wir deshalb Anlass, die im Frankenwald und Fichtelgebirge traditionell überlieferten Stockfischessen in unserer Spezialitätendatei als Besonderheit zu verzeichnen.

Die Verwendung von Stock- oder Klippfisch als Speisefisch ist aufwändig und erfordert verschiedene Vorarbeiten. Der Fisch wird zuerst gewaschen. Je nachdem, ob es sich um lediglich getrockneten Stockfisch oder gesalzenen Klippfisch handelt, wird er dann unterschiedlich lange gewässert. Nach Johann Albrecht Grunauer soll man den höherwertigen Stockfisch auch anschließend nicht kochen, sondern lediglich vorsichtig erwärmen, während Klippfisch auch höhere Temperaturen vertragen kann. Weiterhin empfiehlt Grunauer, den Fisch zuvor zu entgräten und in kleine Stücke zu schneiden. Als Kochsud verwendet er Fleisch- oder Gemüsebrühe, der Erbsen, Schmalz, Butter und zerriebene Semmeln zugegeben werden. Je nach Rezept wird z.B. mit Kümmel oder Senf gewürzt. Ebenso überliefert er eine im Ofen gebackene Variante, bei der der Fisch mit reichlich Butter, Eiern und Milch übergossen und gegart wird.

Auch die um 1900 im Bamberger Hotel Concordia wirkende Kochmamsell Margarete Schwarzmann überliefert ein Stockfischrezept. Nach ihrer Version wird der Fisch gut gewässert, anschließend gekocht, bis er in feine Blätter zerfällt, und nach sorgfältigem Abtropfen in Butter knusprig geröstet.

Um die Tradition der weltweit verbreiteten Stockfischgerichte aufrecht zu erhalten, wurde ihre Verbreitung von Norwegen ausgehend über Europa bis Afrika und Surinam erforscht. Dahinter steht die Idee, die lebendige Tradition der Stockfisch-Zubereitungen zu erhalten und das Thema zu einer kulinarischen Route aufzuwerten. Das Oberfranken darin prominent vertreten sein wird, ist einmal mehr Beweis unserer jahrhundertealten kulinarischen Geschichte.

Jahreskalender:

Sie können die Spezialität zur Fastenzeit genießen.

Genusstipp:

Stockfisch wird in einigen regionalen Wirtshäusern im Frankenwald und im Fichtelgebirge in der Zeit nach Fasching bis Karfreitag angeboten. Gelegentlich werden Stockfischessen auch von privaten Gesellschaften und Vereinen organisiert. Man serviert den gegarten Fisch mit gerösteten Semmelwürfeln und einer hellen Mehlbrühe zu Kartoffelklößen und Sauerkraut.

Autoren:

Genussregion Oberfranken, Foto Martin Bursch; Textbearbeitung Uta Hengelhaupt

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