Schlachtschüssel nach oberfränkischer Tradition
Saisonale SpezialitätOhne Zweifel genießt die Schlachtschüssel hierzulande Kultstatus. Sie ist unumgänglicher Höhepunkt des ländlichen Schlachtfestes, das in vergangenen Zeiten den über lange Wochen fleischlos geprägten Alltag vieler Menschen abwechslungsreich unterbrach. Heute hat sich der Brauch meistens auf das dörfliche Gasthaus verlagert, vor allem dann, wenn der Wirt noch selber schlachtet und seine Hauserzeugnisse in der eigenen Gaststube anbietet. Häufig wird dieses Ereignis in der regionalen Presse vorab angekündigt und sorgt für einen angemessenen Andrang hungriger Gäste. In einigen Orten wie z.B. in Willmersreuth bei Kulmbach hat sich aus dem Schlachtfest eine dreitägige Kerwa – hier Krumba genannt – entwickelt, die vom Heimatverein der Gemeinde alljährlich ausgerichtet wird.
Wie es in Oberfranken kaum anders zu erwarten ist, sind die Zutaten zur Schlachtschüssel nicht standardisiert. Grundsätzlich gehören dazu ein oder mehrere Stücke gekochtes Fleisch von unterschiedlichen Teilen des Schweins (Kesselfleisch, Schüpf oder Spund = Bauchfleisch, Kopffleisch, gelegentlich auch Niere, Herz und Leber, seltener Zunge), einige warme Siedwürste (meistens Blut- und Leberwürste), zwei roh gekochte Klöße sowie reichlich Kraut. Da die Opulenz einer klassischen Schlachtschüssel die heute gewohnten Verzehrmengen häufig übersteigt, bieten viele Gasthäuser auch verkleinerte Portionen oder Teilgänge wie Schüpf und Kraut oder warme Blut- und Leberwürste mit Brot an. Dazu trinkt man natürlich reichlich Bier und wohl auch so manches Gläschen Schnaps, um dem Magen Erleichterung zu verschaffen.
Geschlachtet wurde früher fast ausschließlich in der kalten Jahreszeit, um die notwendige Kühlung der frischen Fleisch- und Wurstwaren zu ermöglichen. So muss auch heute noch für die vielen typischen Produkte der ländlichen Hausmetzgerei das Fleisch schlachtwarm verarbeitet werden, da es in der Wurstmasse sonst keine Bindung mehr erzeugt. Deshalb wurden die ausgewählten Tiere schon am frühen Morgen geschlachtet und mussten bis zum Abend verarbeitet sein.
Häufig stehen diese alten jahreszeitlichen Schlachttage in Zusammenhang mit verschiedenen kirchlichen Patronats- und Brauchtumsfesten, so dass sich daraus ein enger Zusammenhang zur Kerwa entwickeln konnte. Aber auch unabhängig davon war es in den meisten ländlichen Haushalten notwendig, zum Schlachttag eine große Anzahl an Helfern aus der dörflichen Gemeinschaft zusammenzutrommeln, die zunächst dazu beitrugen, die vielen Arbeitsschritte vom Abbrühen und Zerlegen des Schlachttieres über das Blutrühren, Fleischkochen, Waschen der Därme, Zubereiten, Würzen und Brühen der Würste usw. reibungslos zu bewerkstelligen. Im Anschluss an diese Leistungen oder manchmal auch schon zwischendurch war es selbstverständliche Gegenleistung, die zugleich die soziale Einstellung der Bauersleute unter Beweis stellte, wenn alle großen und kleinen Helfer auch hinreichend mit Wurstsuppe, frisch gekochtem Kesselfleisch und reichlich frischen Würsten versorgt wurden. Aus diesem Zusammenhang entwickelten sich von Ort zu Ort unterschiedliche Bräuche und Riten, wie z.B. das „Worschdfohrn, Hoffnstelln und Schbießla reckn“ bei der Krumba in Willmersreuth oder das “Hofenrecken” beim Schlachtfest in Goldkronach, die für den notwendigen Spaß bei der Arbeit sorgten und in der Erinnerung die Schlachtfeste zu unvergleichlichen Festtagen im Dorfleben steigerten.
In vielen Haushalten wurde zum Schlachttag ein Hausmetzger aus der Nachbarschaft oder auch aus entfernteren Orten bestellt. Dieser arbeitete entweder nach streng gehüteten eigenen Rezepten oder verwendete überlieferte Familienrezepte, wobei die Rezeptverschwiegenheit aller Beteiligten oberstes Gebot war. Nicht selten schickte man die allzu Neugierigen kurzerhand zum Holen des “Wurstmaßes” in die Nachbarschaft.
Typische Komponenten des Schlachtfestes sind die nachbarliche Anteilnahme sowie die soziale Großzügigkeit der jeweiligen Veranstalter, die sich im Bewirten der Helfer, Beschenken der Kinder oder auch im Austragen von Wurstsuppe, Kesselfleisch und frischen Würsten an Nachbarn und Verwandte zeigt. Insbesondere dann, wenn das Schlachtfest in ein dörfliches Brauchtumsfest integriert wird, ist es auch heute noch üblich, dass sich die örtlichen Honoratioren und Vereine daran beteiligen.
Kaum vorzustellen ist es, dass nach den üppigen, bodenständigen Köstlichkeiten des Schlachtfestes überhaupt noch etwas übrig bleibt. Alles, was am Vortag nicht verzehrt wurde, wird am Tag nach dem großen Schlachten konserviert. D.h., frische Würste werden zum Räuchern aufgehängt, das Fleisch wird entweder eingekocht oder zum Pökeln und späteren Räuchern eingelegt. So ließ sich wenigstens ein Teil der deftigen Köstlichkeiten bis zum nächsten Schlachten aufbewahren.
Aufbewahrung / Haltbarkeit:
Grundsätzlich gehört die Schlachtschüssel zum Schlachttag, sollte also frisch verzehrt werden. Am Tag danach empfiehlt es sich, die frischen Würste nicht im Wasser wieder aufzuwärmen, sondern mit etwas Fett in der Pfanne anzubraten. Kesselfleisch dämpft man mit Kraut, erwärmt es in der Wurstbrühe oder brät es ebenfalls in der Pfanne leicht an.
Jahreskalender:
Sie können die Spezialität im Frühjahr, im Herbst und im Winter genießen.
Genusstipp:
In der ländlichen Gastronomie Oberfrankens, insbesondere in den traditionellen Braugasthöfen mit eigener Hausmetzgerei, steht die Schlachtschüssel meistens einmal im Monat auf der Speisekarte. Häufig wird der Termin schon im Voraus in der Presse bekannt gegeben. Hier lohnt es sich, die regionale Vielfalt zu erkunden.
Literatur:
http://www.willmersreuth.de/jahr/krumba_1.htm
Karl Georg Wolfshöfer, Malzkaffee mit Milchhaut, Goldkronach 2009 (S. 21 – 24.)
Autoren:
Genussregion Oberfranken, Foto Martin Bursch (2- 7), Reinhard Feldrapp (1; 8); Textbearbeitung Uta Hengelhaupt