Deutscher Mühlentag im Bayerischen Bäckereimuseum Kulmbach

von Sigrid Daum-Sauermann
Am Pfingstmontag feiert man deutschlandweit den „Mühlentag“ – allerorten werden die Zeugnisse eines fast vergessenen Handwerks in den Fokus gestellt. Landauf, landab werden Mühlenführungen angeboten, so auch im Kulmbacher Mönchshof. Dort gibt es am 20. Mai um 10:30 Uhr eine Sonderführung mit dem Müllermeister und Mühlenbautechniker Andreas Ehrhardt in der Abteilung „Mühlenwesen“ des Bayerischen Bäckereimuseums.
Die Mühle, die jetzt im Mönchshof „klappert“, stand vormals am rauschenden Bach nahe Thurnau: Es handelt sich um die Neidsmühle, die erstmals 1526 urkundlich erwähnt wurde und eine wechselhafte Geschichte erlebte. In den 1930er Jahren erfolgte die letzte große Modernisierung, dennoch konnte die Mühle langfristig nicht mehr konkurrenzfähig betrieben werden – der Mühlenbetrieb wurde 1957 eingestellt. Die vollständig erhaltene technische Ausstattung wurde nach gründlichen konservatorischen Maßnahmen Ende 2007 im Bayerischen Bäckereimuseum eingebaut und für die Nachwelt gesichert – als eindrucksvolles Zeugnis hochentwickelter Handwerkskunst.

„Gesamtansicht mit Scheune“: Museen im Kulmbacher Mönchshof/Archiv
In der Thurnauer Neidsmühle arbeitete das Mühlenwerk bis 1957 über vier Stockwerke vom Keller bis in den Dachboden. Foto: Archiv Museen im Kulmbacher Mönchshof

Wie die Neidsmühle den Weg nach Kulmbach fand, daran erinnert sich Museumsleiter Bernhard Sauermann noch ganz genau: „Unser Vorstand vom Museumsverein, Stefan Soiné, vermittelte uns den Kontakt zu dem damaligen Besitzer, der das Gebäude mit der aufgelassenen Mühle gerne umnutzen wollte und eine neue `Bleibe` für sein Schmuckstück suchte. Letztlich ging sein Wunsch in Erfüllung. Nach reichlich Organisation und Planung machte sich die stattliche Mühle auf ihre spektakuläre Reise. Zunächst wurde das komplette Mühlenwerk über mehrere Wochen fachgerecht in schier unzählige Einzelteile zerlegt, das Hausdach wurde teilweise geöffnet und die großen Stücke per Autokran herausgehoben. Auch der Kampf gegen den hartnäckigen Holzwurm konnte siegreich geschlagen werden. Schließlich kam uns Mühlenexperte Andreas Ehrhardt beim Wiederaufbau maßgeblich zu Hilfe.“

Vom Feld bis zur Mühle

Sauermann freut sich, dass er ihn als Referenten gewinnen konnte: “Denn er weiß nicht nur, welchen Weg das Korn von der Landwirtschaft bis zur Mühle nehmen muss, sondern auch, wie die Mühle funktioniert. Und! Wie kaum ein anderer kennt er auch die Geschichte der Umzugsaktion, welche Hürden und Schwierigkeiten zu überwinden waren, bis die Neidsmühle 2007 unter seiner Obhut und nach seinen Plänen in den dafür vorbereiteten Räumen im Kulmbacher Mönchshof wieder aufgebaut werden konnte. Wir dürfen gespannt sein.“

„Deutscher Mühlentag 2024 Sauermann-Ehrhardt“: Sigrid Daum-Sauermann
Museumsleiter Bernhard Sauermann und Müllermeister Andreas Ehrhardt erinnern sich gerne daran, wie sie vor nunmehr 17 Jahren das Husarenstück leisteten, ein vierstöckiges Mühlenwerk derart in ein dreistöckiges Gebäude einzubauen, dass es technisch problemlos in Betrieb gehen könnte. Foto: Sigrid Daum-Sauermann

 

Mit der zusätzlichen Vermittlung von weiteren Exponaten und seiner Ausarbeitung von didaktischen Schaubildern zum Mühlenablauf hat Ehrhardt die Museumsinstallation maßgeblich geprägt. Er erinnert sich: “Hier im Kulmbacher Mönchshof haben wir 2007 die Technik einer vierstöckigen Rückschüttmühle aus Thurnau fachgerecht, vollständig und absolut authentisch auf drei Stockwerken wieder aufbauen können, wie es das Gebäude vorgab.“
Rar geworden sind nicht nur die alten Mühlen, sondern auch die Menschen, die etwas von historischer Mühlentechnik verstehen. Deshalb gibt Ehrhardt seine Expertise gerne an Denkmalpfleger, Museen und Privatleute weiter, so auch an die Teilnehmer der Sonderführung am Pfingstmontag: „Man kann die komplette Mühle auf einen Blick im offenen Raum erfassen, das ist die Besonderheit, wenn man sich die technischen Zusammenhänge einmal quer über alle Stockwerke im Ganzen ansehen möchte.“

Schon als Kind von Mühlen begeistert

Andreas Ehrhardt begeisterte sich schon als Kind für alte Mühlen, die immer wieder Ziel so manches Familienausflugs wurden. Wie ernst es ihm damit war, zeigte sich, als er bereits im Alter von 13 Jahren (!) der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung beitrat. Es lag auf der Hand, dass er eines Tages einmal Müller werden wollte. Nach der Ausbildung in einer Mühlenbaufirma absolvierte er – parallel zum Technikerstudium an der Deutschen Müllerschule Braunschweig – die Meisterprüfung im Müllerhandwerk. Er arbeitet seit einigen Jahren beim Kulmbacher Backzutatenhersteller IREKS und zieht alljährlich viele Zuhörer am Mühlentag mit seinen ehrenamtlichen Mühlenführungen in seinen Bann.

Bildband und Internetseite

In den vergangenen Jahren hat er auch einen eindrucksvollen Bildband „Alte Mühlen in Bayern“ mit herausgegeben und unter www.muehlsteinmahlen.de eine Internetseite ins Leben gerufen, die Informationen und Hilfestellung rund um traditionelle Mühlentechnik bietet: “Vielerorts sind die historischen Mühlen nach ihrer Stilllegung eben nicht entkernt und umgebaut worden, sondern stehen zum Teil bis heute mit kompletter Innenausstattung da, leider zerfressen vom Holzwurm”, so Ehrhardt.
Und weiter: „Noch 1946 waren 4440 Getreidemühlen allein in Bayern aktiv, davon sind heute 98 Prozent stillgelegt. Die grundlegenden Vermahlungsprinzipien werden heute in moderner und leistungsfähiger Form weiter angewendet, und auch die verbliebenen Mühlenbaufirmen haben ihr Maschinenangebot dem Fortschritt angepasst. Parallel dazu werden bis heute Wasserräder nach historischem Vorbild gebaut, meist zur Stromerzeugung. Dass es all das heute noch in Bayern gibt, ist bemerkenswert.“

An der Neidsmühle in der Abteilung Mühlenwesen des Bayerischen Bäckereimuseums gewinnt der Besucher einen beeindruckenden Überblick über die Produktionsabläufe aller drei Stockwerke. Foto: privat
An der Neidsmühle in der Abteilung Mühlenwesen des Bayerischen Bäckereimuseums gewinnt der Besucher einen beeindruckenden Überblick über die Produktionsabläufe aller drei Stockwerke. Foto: privat

 

Mühle spielerisch erfahren

Seinen Mühlenrundgang wird Ehrhardt in der Spielabteilung des MUPÄZ beenden, wo eine weitere Mühle aufgebaut ist, die ebenfalls aus Thurnau stammt. Sie wurde nach Plänen des Innenarchitekten Peter Rudolf aus Regen in Niederbayern von der Schreinerei Klaus Bartels, Thurnau, als didaktisches Anschauungs- und Spielobjekt für die kleinsten Museumsbesucher gebaut. Damit waren die Museen im Mönchshof Pioniere der Idee, Kindern einen spielerischen Zugang zum kulturellen Erbe zu ermöglichen.
Andreas Ehrhardt, selbst Vater mühlenbegeisterter Kinder, ist von diesem Objekt stets aufs Neue fasziniert: „Man kann damit vielen Kindern die Funktion einer Mühle anschaulich erklären – sie können eine Mühle im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch begreifen.“

„MUPÄZ Kinderreich Mühle“: Paula Bartels
Die Mühle im MUPÄZ, dem museumspädagogischen Zentrum der Museen im Mönchshof, lässt Kinderherzen höher schlagen – durch körperlichen Einsatz kann man das Mühlrad tatsächlich zum Laufen bringen. Foto: Paula Bartels

 

Termin: Pfingstmontag, 20. Mai 2024, 10:30 Uhr
Dauer: ca. 1 Stunde
Kosten Sonderführung inkl. Eintritt:
Erwachsene 12,00 Euro, Kinder ab 7 Jahren 6,00 Euro, Familienkarte 24,00 Euro
Anmeldungen zur Sonderführung unter www.kulmbacher-moenchshof.de
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr durchgehend. Pfingstmontag sind die Museen im Mönchshof von 10- 17 Uhr geöffnet.